Hörtherapien
Manchmal möchte man einfach in den Kopf schauen können, um zu verstehen, was da so vor sich geht. Wie das mit dem Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Fühlen so geht. Warum das für uns auch unterschiedlich sein kann. Wie kann einem Menschen Metall-Musik gefallen und ein anderer empfindet es als Lärm? Wieso können wir Geräusche vollständig ignorieren, so als seien sie nicht da?
Alle Wahrnehmungen über die Sinnesorgane wie Mund, Nase, Augen, Ohren und Haut liefern eine Vielzahl an Sinneseindrücken an das Gehirn, dass dann die entsprechenden Informationen abgleicht, verarbeitet und das Relevante an unser Bewusstsein bringt. In Zahlen ausgedrückt verarbeitet unser Gehirn 11 Millionen Bit an Informationen pro Sekunde, von denen aber nur 40 Bit im Bewusstsein ankommen. Also nur 0,00004% der Informationen die wir aufnehmen werden uns tatsächlich auch bewusst. Und der Rest wird in den kognitiven Verarbeitungsprozessen als unwichtig eingestuft und weggefiltert. Nur als wichtig priorisierte und notwendige Informationen kommen durch. Zum Verständnis – mit kognitiven Prozessen sind all die Vorgänge im Gehirn gemeint, die eine höhere Ebene der Verarbeitung benötigen, wie zum Beispiel Erinnern. Aber auch Lernen, Erkennen, Vergleichen, Nachdenken, Problemlösen, Entscheiden oder Planen gehören zu diesen kognitiven Fähigkeiten. Zusammenfassend gesagt ist die Wahrnehmung die Interpretation und Rekonstruktion der externen Welt aus den Sinneseindrücken abzüglich der weggefilterten, unwichtigen Informationen. Dadurch ergeben sich die Unterschiede zwischen uns Menschen in der Wahrnehmung. Was dem Einem wichtig ist, kann für den anderen so unbedeutend sein, dass sein Gehirn es einfach wegfiltert. Ganz besonders im Bereich Hören zeigen sich diese Unterschiede. Ein Beispiel sind die Menschen, die an Autobahnen leben und die die Fahrgeräusche wegfiltern also ausblenden und keine Probleme beim Schlafen mit offenem Fenster haben. Andere, die diese Geräuschkulisse nicht gewohnt sind, können diese Geräusche nicht ignorieren und fühlen sich gestört.
Es gibt eine Vielzahl an Hörstörungen, die auch ohne Beeinträchtigung des Hörvermögens, also ohne Hörverlust, das Verstehen beeinträchtigen können. Solche Hörstörungen sind Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen bei Kindern und Erwachsenen, Hyperakusis, Hyperakusis dolorosa, Misophonie, Phonophobie, Stresssyndrom und Konzentrationsstörungen, Filterfunktionsstörungen (chronischer Tinnitus) und Hörentwöhnung. Zur Behebung der Hörstörungen können Hörtherapien und Hörtraining angewandt werden. Anlaufstellen für Betroffene sind ausgebildete Hörtherapeuten.
Hörtherapeuten und Hörtherapien:
Hörtherapeuten sind speziell im Bereich kognitive Hörverarbeitung und Hörstörungen ausgebildet. Der Besuch bei einem Hörtherapeuten beinhaltet ein Vorgespräch (Anamnese), Fragebögen (subjektive Erfassung der Höreinschränkung) einem Screening Test und ggf. einen ausführlichen Test der kognitiven Verarbeitungsbereiche im Bereich Hören zur objektiven Erfassung der Hörverarbeitungseinschränkung. Sollte ein Hörverlust vorliegen, wird dieser ebenfalls erfasst. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wird ein individueller Therapie- bzw. Hörtrainingsplan erstellt. Eine Hörtherapie kann von 4 (z.B. Stressmanagement) bis zu 12 Wochen (wie bei Tinnitus-Therapie) dauern. Eine Hörtherapie beinhaltet einen wöchentlichen Besuch beim Hörtherapeuten mit Trainingseinheiten und einem täglichen Training von 45-90 Minuten und anschließender Entspannung (Zeitaufwand je nach Therapie) mit Therapiegeräten. Die Therapiekosten setzen sich aus Betreuungskosten und Miete der Therapiegeräte zusammen.
Durch die regelmäßige Anwendung im Rahmen einer Hörtherapie können neue kognitive Verarbeitungsrituale etabliert und konditioniert werden und noch bestehende Hörverarbeitungsstrukturen wieder integriert werden. Fast alle Symptome bzw. Probleme einer Hörentwöhnung, Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) bei Erwachsenen und Kindern, Hyperakusis, sowie Störung der Filterfunktionen (Tinnitus) können durch Hörtraining rückgängig gemacht. Beispielsweise Im Rahmen einer Hörgeräteversorgung kann die Gewöhnung an ein Hörgerät stark erleichtert werden. Um die rückgewonnene Gehirnleistung zu behalten, muss man nicht permanent ein Hörtraining durchführen. Es reicht das Gehirn „joggen“ zu lassen. Bei Hörverlust bedeutet das, dass durch das tägliche Tragen der Hörgeräte ein Training absolviert wird und das Gehirn sein tägliches „Gehirnjogging“ ganz nebenbei absolviert und fit bleibt.